– Dr. Joachim Weinbrecht, W+W Consulting GmbH 2022
Im Rahmen eines Interviews haben wir Dr. Joachim Weinbrecht, Senior Partner der W+W und Know-how-Halter von über 30 Jahren Erfahrung mit SAP-Einführungsprojekten, die Frage gestellt, wie sich SAP-Projekte von heute zu früher verändert haben. Eine wesentliche Veränderung ist die zunehmende Standardisierung. Damit einher gehen Risiken, die mithilfe von „Phase 0“ und „W+W360°“ gelöst werden können.
Wie haben sich SAP-Projekte von früher zu heute verändert?
Bisher, bei einer klassischen On-Premise ERP-Einführung, lassen sich das System und die vom Hersteller entwickelten Standard-Prozesse sehr stark an die Anforderungen des Unternehmens anpassen. Dadurch ist zu Beginn solcher Projekte nicht klar, wie der Prozess am Ende aussehen wird. Der Prozess wird erst in der Feinkonzeption vollständig ausgearbeitet. Im Nachgang werden die Aufbauorganisation und die Stammdaten an diesen Prozess angepasst. Diese Vorgehensweise funktioniert jedoch nur, weil die Projektdauer von bis zu drei Jahren genügend Spielraum lässt.
Heute ist es das Ziel, so nah wie möglich am Standard der SAP zu bleiben. Das heißt, die Unternehmensprozesse mit Standardprozessen der SAP-Lösungen möglichst ohne ergänzende Programmierungen abzubilden. Bei solchen Projekten ist, bevor das Projekt überhaupt gestartet ist, im Grunde klar, wie der Prozess am Ende aussehen wird. Deshalb dauern diese Einführungen auch nur 6-12 Monate. In dieser kurzen Zeit können keine strukturellen Veränderungen in der Organisation stattfinden, und für viele Mitarbeitenden geht die Veränderung vom bisherigen Prozess und der bisherigen Rolle zur neuen Situation zu schnell. Deshalb muss man die Change-Erfordernisse frühzeitig erkennen und die Organisation, ihre Kultur und Struktur vor dem Einführungsprojekt vorbereiten. Wir nennen das Predictive Change.
Wieso dann überhaupt Standard? Welchen Nutzen hat diese Strategie?
Die Einführung geht schneller und kostet weniger. Die Business-Prozesse können End-2-End – in allen Modulen – auf die Standards zurückgreifen, bis hin zu den Reporting-Standards. Solange die Abbildung im Standard bleibt, greifen die Räder ineinander und sind sofort funktionsfähig. Neue Standardfunktionen oder -prozesse können schneller angedockt werden, die Veränderungsgeschwindigkeit und das Veränderungspotenzial erhöhen sich. Der Wettbewerbsvorteil ergibt sich aus der automatischen Anpassung bei immer kürzeren Release-Intervallen und der damit verbundenen Implementierung der aktuellen Best Practices. Zum Erhalt der Kernkompetenzen bedarf es daher einer Orchestrierung verschiedener Anwendungen anstatt der Abbildung eines spezifischen Prozesses. Anders ausgedrückt: Die Halbwertzeit von Prozessen hat sich deutlich verkürzt und deshalb müssen sich Unternehmen schneller anpassen können.
Gibt es Missverständnisse?
Ja, Standardisierung bedeutet nicht zwangsläufig, dass damit auch alle Prozesse „automatisch“ an jeder Stelle besser werden. Häufig wurden in der bisherigen Landschaft einzelne Prozesse ganz spezifisch optimiert, diese Optimierung wird dann vom Standard meist nicht erreicht. Darüber hinaus wird bei einer SAP-Einführung ein hohes Maß an Prozess-Know-how bei den Mitarbeitenden vorausgesetzt. Dies beinhaltet unter anderem den Unterschied zwischen einer funktionalen und einer End-2-End-Betrachtung des Unternehmens. In der End-2-End-Betrachtung ergibt sich fast immer ein Vorteil, und dann sind da noch die Anpassungsflexibilität und die deutlich geringeren Einführungs- und Betriebskosten.
Welche Risiken sind mit der Standardisierung verbunden?
Die Geschwindigkeit dieser Projekte ist ein großes Risiko für die Organisation und das Projekt. Ich erläutere Ihnen das an einem konkreten Beispiel: die Fit-2-Standard Workshops. Während dieser Workshops wird der Standardprozess gezeigt und in wenigen Stunden erläutert. Die Projektmitarbeitenden des Fachbereichs müssen in kurzer Zeit entscheiden, für welche ihrer eigenen Prozesse der vorgestellte Prozess einen Ersatz darstellt und ob alle essenziellen Anforderungen abgedeckt sind (Fit) oder nicht (Gap). Davon sind die Fachbereiche meist überfordert, Anforderungen werden übersehen und es werden falsche Entscheidungen getroffen. Erst viel später, in der Integrationstestphase wird dann festgestellt, dass nicht alle tatsächlich existierenden Geschäftsvorfälle mit ihren spezifischen Anforderungen ausgeführt werden können. Als Folge muss entweder das Projekt verlängert werden, oder es entstehen Workarounds, welche oftmals einen langen Life Cycle erfahren oder gar nicht behoben werden.
Wie kann die „Phase 0“ nun helfen?
Auf Basis unserer Erfahrung aus vielen Projekten haben wir eine Vorgehensweise entwickelt, die Ihre Organisation auf den anstehenden Change vorbereitet und gleichzeitig weitere Mehr-werte für das Projekt und das Life-Cycle-Management schafft. Wir nennen die Methode „W+W360°“, die eine weitere und unserer Meinung nach essenzielle Vorprojektphase begründet: die „Phase 0“.
Die „Phase 0“ ist dem eigentlich technischen Einführungsprojekt der Anwendung(en) vorgeschaltet. Es geht darum, den Fachbereich in möglichst kurzer Zeit und mit geringem Aufwand so vorzubereiten, dass er mindestens 95% der Business Needs und Prozessanforderungen zum Start der Fit-2-Standard Workshops, respektive der Design-Phase, als Checkliste parat hat. Darüber hinaus wird bei Ihren Mitarbeitenden das Prozess-Know-how aufgebaut, um sich in der Welt von BPMN 2.0, dem Modellierungsstandard der SAP, zurechtzufinden.
Als Business Need bezeichnen wir einen wichtigen Bedarf Ihres Unternehmens, der entweder im Zuge der SAP-Einführung in einer zu erfüllenden Anforderung mündet oder als Ausgangspunkt für weitere Optimierungen im Life-Cycle-Management Ihrer Lösung steht. Es geht also nicht darum: „ich wünsche mir den Prozess so, wie er heute ist“, sondern: „was benötige ich unbedingt, um den Prozess erfolgreich durchführen zu können“. Dabei ist entscheidend, dass die Sachbearbeitenden aus allen relevanten Fachbereichen einbezogen werden, um alle wichtigen Anforderungen an das Projekt auf die Checkliste zu bringen.
Durch diese Vorgehensweise erhalten wir eine Aufstellung der essenziellen Anforderungen an das Projekt (in Scope) inklusive deren Priorisierung. Dies bildet die Grundlage für die Überprüfung der Prozesse auf Fit oder Gap und die Tests vor dem Go-live der Lösung. Darüber hinaus gehen gefundene Verbesserungsvorschläge, die im Zuge des Projekts nicht berücksichtigt werden können, nicht verloren, sondern werden als Business Needs für weitere Optimierungen im Zuge des LifeCycle-Managements erfasst.
Die Anforderungen der DSGVO in allen Prozessen zu berücksichtigen, ist beispielsweise ein Business Need, welches eine Vielzahl von einzelnen Anforderungen an die Prozesse und deren Abbildung in Applikationen nach sich zieht. Fakturen auch in US $ erstellen zu können, ist ein anderes.
Die Methode ist strukturiert, die Ergebnisse werden konsistent und leicht – sogar durch einen Dritten – auffindbar dokumentiert. Das Vorgehen ist tool-gestützt, die Ergebnisse stehen am Anfang des Transformationsprozesses, und am Ende wissen Sie für jedes Business Need, wie es in der neuen Landschaft umgesetzt wurde. Und damit ist Ihre Organisation, deren Kultur und die Struktur vor dem Einführungsprojekt auf die Veränderung vorbereitet.
Ihr Weg in die digitale Welt
- Kontaktieren Sie uns, oder wir kontaktieren Sie, um Ihnen unsere Methode und das Tool vorzustellen
- Wir helfen Ihnen dabei, Ihre Organisation auf den bevorstehenden Change der S/4-Einführung, vor dem eigentlichen Einführungsprojekt, vorzubereiten
- Wir beziehen Ihre Fachbereiche von Anfang an mit ein
- Wir verwenden ein strukturiertes Vorgehen mit lückenloser, transparenter Dokumentation
Autoren
Dr.-Ing. Joachim Weinbrecht
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