Die Digitalisierung und Automatisierung aller Branchen unter dem Stichwort Industrie 4.0 schreitet weiter voran und davon ist auch die Lebensmittelbranche betroffen (Reuter et al., 2018). Industrie 4.0, oder die vierte industrielle Revolution, bezeichnet den industriellen Einsatz von Cyber-physischen Systemen, dem Internet der Dinge und Netzwerke, die sukzessive die virtuelle mit der physischen Welt verbinden. Diese Entwicklung hat enorme Auswirkungen auf Produktionsprozesse, Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten (BMWI, 2019).
Die Lebensmittelwertschöpfungskette ist davon auch betroffen. Zunächst werden die Primärproduktion wie Hersteller von Saatgut oder Dünger und die Landwirtschaft, welche für die weitere Wertschöpfungskette essenziell sind, grundlegend durch die Digitalisierung verändert. Weiterhin sind der Handel, der den verarbeitenden und produzierenden Unternehmen die Rohstoffe bereitstellt und der Einzelhandel, der die Konsumenten mit fertigen Produkten versorgt, stark betroffen (Rohleder und Minhoff, 2019). Jede einzelne Stufe hat ihre eigenen Chancen und Risiken, die nun in den folgenden Artikeln dieser Reihe „Das Update 4.0 der Lebensmittelbranche“ beleuchtet werden sollen.
Dieser Artikel widmet sich den beiden ersten Stufen der Lebensmittelwertschöpfungskette und ganz besonders der Landwirtschaft 4.0. Getrieben von Wettbewerbsdruck, steigender Bevölkerungsdichte, Tierwohl und Umweltschutz, neuen rechtlichen Vorgaben bezüglich Hygiene und Nachverfolgbarkeit und verändertem Verbraucherverhalten, kommen Landwirte nicht umhin neue Technologien zum Einsatz zu bringen (Rohleder und Krüsken, 2016).
Landwirtschaft 4.0 – Drei konkrete Ansätze
Cow Body Scan
Der Cow Body Scan (cbs) ist eine 3D-Bildanalyse vom Körper der Kuh. Ein Sensor vermisst die Tiere automatisch, während sie durch einen Gang laufen und ermittelt den „cow condition score“: Dieser beinhaltet die aktuellen Körperkonditionen, Gangbilder und Körpermaße (dsp-Agrosoft, 2019).
Diese Daten ermöglichen eine auf das Tier angepasste Fütterung, die frühzeitige Erkennung von Krankheiten und die permanente Überwachung des Wachstumsverlaufs. Mittels der Warnung bei Abweichung des Normalzustands der Kühe und der Bereitstellung von Alarmlisten von auffälligen Tieren, können Landwirte wirtschaftlicher Arbeiten und Aspekte des Tierwohls berücksichtigen (dsp-Agrosoft, 2019).
Das Projekt cbs, getrieben von mehreren deutschen Soft- und Hardwareunternehmen und dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, wurde bereits zwei Mal ausgezeichnet: Erstens mit dem Innovations Award 2018 durch die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft und zweitens mit dem „Animal Walfare Award“ vom Bundesverband praktizierender Tierärzte (Fleischwirtschaft, 2018).
Precision Farming
„Precision Farming ist die ortsdifferenzierte und zielgerichtete Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen“ (Plößneck, 2011, S.2).
Mit dem Einsatz von Satelliten, Sensoren und Drohnen werden digitale Karten erstellt und Daten über den Boden, den Lichteinfall und die Temperatur erhoben. Durch die Kombination dieser Daten und das vernetzen mit den Landmaschinen, soll das automatisierte und präzise Ausbringen von Saatgut, Dünger und Wasser ermöglicht werden. Gleichzeitig soll der Zeitpunkt für die Ernte, Düngung oder den Pflanzenschutz optimiert werden (Reuter et. al., 2018).
Landnetz
Damit die Landwirtschaft 4.0 mit Sensoren, Netzwerken, künstliche Intelligenz, GPS-Satelliten, Drohnen, etc. voll umfänglich zum Einsatz kommen kann, muss zunächst eine andere Herausforderung gemeistert werden: Der ländliche Raum benötigt den Zugang zu Breitband-Internet (Martínez, 2016).
Genau an dieser Herausforderung arbeitet seit Mitte 2019 das 5G-Pilotprojekt „Landnetz“ unter der Leitung der Technischen Universität Dresden (BMEL, 2019). Auf dieser 200 Quadratkilometer großen Testfläche zwischen Nossen und Torgau wird nun der Einsatz von automatisierten Feldmaschinen und Drohnen erprobt. Darüber hinaus werden die Bauernhöfe vor Ort mit einer Agrar-Cloud vernetzt. Ziel ist es effizienter anzubauen und zu ernten und die Viehzucht produktiver zu gestalten (SMUL, 2019).
Quellen
BMLE (2019) Startschuss der digitalen Experimentierfelder [online]. Abrufbar unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2019/169-Expermentierfelder.html [Abgerufen am 21.09.2019].
BMWI (2019) Was ist Industrie 4.0? [online]. Abrufbar unter: https://www.plattform-i40.de/PI40/Navigation/DE/Industrie40/WasIndustrie40/was-ist-industrie-40.html [Abgerufen am 22.09.2019].
dsp-Agrosoft (2019) COW BODY SCAN [online]. Abrufbar unter: https://www.herde-net.de/produkte/cow-body-scan/ [Abgerufen am 21.09.2019].
Fleischwirtschaft (2018) Medaille für Beobachtungssystem [online]. Abrufbar unter: https://www.fleischwirtschaft.de/produktion/nachrichten/Tierwohl-Medaille-fuer-Beobachtungssystem–37985?crefresh=1 [Abgerufen am 21.09.2019].
Martínez, J. (2016) Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Landwirtschaft – die rechtliche Dimension. Przegląd Prawa Rolnego. Nr. 2(19), S. 12-44.
Plößneck, J. (2011) Amalysen und Trends Thema: Precision Farming im Pflanzenbau [online]. Abrufbar unter: https://www.landwirtschaft.sachsen.de/download/Precision_Farming-Endfassung-Internet-v2.pdf [Abgerufen am 23.09.2019].
Reuter, C., Schneider, W., Eberz, D., Bayer, M., Hartung, D., Kaygusuz, C. (2018) Resiliente Digitalisierung der kritischen Infrrastruktur Landwirtschaft – mobil, dezentral, ausfallsicher. In: Dachselt, R., Weber, G., (2018) Mensch und Computer 2018: Workshopband. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V., S. 623-632.
Rohleder, B. und Minhoff, C. (2019) Ernährung 4.0 – Status Quo, Chancen und Herausforderungen. Berlin: Bitkom und BVE.
Rohleder, B. und Krüsken, B. (2016) Digitalisierung der Landwirtschaft. Berlin: Bitkom und DBV.
SMUL (2019) Experimentierfeld 5G in Land- und Forstwirtschaft [online]. Abrufbar unter: https://www.smul.sachsen.de/experimentierfeld-5g-in-land-und-forstwirtschaft-25967.html [Abgerufen am 21.09.2019].