Die Lebensmittelwertschöpfungskette Industrie-News W+W Consulting GmbH in Ettlingen

Die Digitalisierung und Automatisierung aller Branchen unter dem Stichwort Industrie 4.0 schreitet weiter voran und davon ist auch die Lebensmittelbranche betroffen (Reuter et al., 2018). Industrie 4.0, oder die vierte industrielle Revolution, bezeichnet den industriellen Einsatz von Cyber-physischen Systemen, dem Internet der Dinge und Netzwerke, die sukzessive die virtuelle mit der physischen Welt verbinden. Diese Entwicklung hat enorme Auswirkungen auf Produktionsprozesse, Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten (BMWI, 2019).

Die Lebensmittelwertschöpfungskette ist davon auch betroffen. Zunächst werden die Primärproduktion wie Hersteller von Saatgut oder Dünger und die Landwirtschaft, welche für die weitere Wertschöpfungskette essenziell sind, grundlegend durch die Digitalisierung verändert. Weiterhin sind der Handel, der den verarbeitenden und produzierenden Unternehmen die Rohstoffe bereitstellt und der Einzelhandel, der die Konsumenten mit fertigen Produkten versorgt, stark betroffen. (Rohleder und Minhoff, 2019). Jede einzelne Stufe hat ihre eigenen Chancen und Risiken, die nun in den folgenden Artikeln dieser Reihe „Das Update 4.0 der Lebensmittelbranche“ beleuchtet werden sollen.

Dieser Artikel ist der dritte in unserer Reihe und bezieht sich auf die Digitalisierung im Lebensmitteleinzelhandel. Einkaufsläden mit der Möglichkeit zur Selbstbezahlung gibt es schon heute. Doch wie wäre es mit Lebensmittelgeschäften, welche frei von Kassen und Warteschlagen existieren? Mithilfe von E-Commerce und Big Data haben Lebensmittelgeschäfte die Möglichkeit genau diese Vorstellung wahr zu machen.

Das W+W Team freut sich Ihnen Trends für eine bessere Wirtschaftlichkeit und eine höhere Nachhaltigkeit näher zu bringen.

 

Lebensmittelhandel 4.0 – Drei konkrete Ansätze

E-Commerce im Lebensmittelhandel

E-Commerce ist schon seit der Jahrtausendwende ein Thema. Das Konzept wird stark von ehemalig rein stationären Kaufhäusern wie z.B. Breuninger, Metro und Karstadt betrieben und viele Global Player wie Ebay oder Amazon haben sich auf der Basis dieses Business Modells erst entwickeln können.

Auch die Lebensmittelbranche versucht diesen Trend mitzunehmen; bisher ohne viel Erfolg. Bis 2017 lag der Umsatzanteil von Lebensmitteln am gesamten Onlinehandel nur bei 3,8% (Handelsverband Deutschland, 2017). Ein anspruchsvoller Markt, in dem es sehr auf Qualität und Timing ankommt, hat selbst große Konzerne wie Aldi abgeschreckt. Und auch Unternehmen wie z.B. Kaufland oder Lidl sind gescheitert, weil die Rentabilität nicht gegeben war (E-Commerce Magazin, 2019).

Jedoch merken wir im Jahr 2020, stark durch die Corona-Krise angekurbelt, dass E-Commerce langfristig auch ein Teil der Lebensmittelbranche wird. Die Nachfrage an Lebensmitteln insgesamt ist in der Pandemie stark gestiegen und das Einkaufsverhalten hat sich verändert, denn die Menschen vermeiden den Gang in den Supermarkt, sondern bestellen von Zuhause. Im zweiten Quartal 2020 wurden Lebensmittel online für 772 Millionen Euro verkauft. Das ist ein Zuwachs von 90% zum Vorjahr (Clodius, 2020).

Ein Unternehmen, welches diese Entwicklung frühzeitig erkannte, erreichte einen starken Einstieg in das E-Commerce-Geschäft 2020: „flaschenpost.de“. Dieser Getränke-Lieferdienst wagte sich über sein Kerngeschäft hinaus und mischt nun stärker im deutschen Online-Lebensmittelhandel mit. Erstmals lieferte ein Onlinedienst Frischware, Obst und Gemüse sowie Tiefkühlwaren aus (Holst, 2020). Auch einer Supermarktkette gelang es, angekurbelt durch das veränderte Konsumentenverhalten, seine Kundenzahlen online mehr als zu verdoppeln. „Picnic“ wird jetzt seine Kapazitäten ausbauen und stellt neue Mitarbeiter ein (Clodius, 2020).

Einige Experten prognostizieren, dass das E-Commerce Geschäft für die Lebensmittelbrache ein langfristiges Business Modell ist (WirtschaftsWoche, 2021; Redaktion Etailment, 2021). Aus diesem Grund werden aktuell viele Ideen entwickelt, um das online Lebensmittelgeschäft zu optimieren. Wie die Zukunft von E-Commerce zum Beispiel aussehen könnte, basiert auf dem Prinzip, welches von Pinterest, Instagram etc. genutzt wird. Lediglich Bilder mit wenig oder keinem Text, ermöglichen dem User online bzw. via App eine real-life- und in-store-experience. Ein ähnliches Prinzip könnte auch für den Verkauf von Lebensmitteln online zum Einsatz kommen (Kramer, 2021).

 

Virtual Reality, Augmented Reality und Künstliche Intelligenz im Supermarkt

Durch viele Trends wie verschiedene Ernährungskonzepte, Nachhaltigkeit und Tierwohl, möchte der Käufer genau informiert sein und detaillierte Angaben zu den Produkten erhalten, die er konsumiert. Internetquellen helfen dem Käufer sich vorab zu entscheiden, was er wann, wo und wie kaufen möchte. Virtual Reality (Virtuelle Realität, eine computergenerierte Wirklichkeit durch 3D), Augmented Reality (computergestütze Wahrnehmung, die die reale Welt um virtuelle Aspekte erweitert) und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz („intelligente“ Computersysteme) könnten dem Kunden zusätzlich bei vielen Entscheidungen zur Seite stehen:

Mit KI-fähigen Technologien in Getränkeautomaten, können personalisierte Geschmacksrichtungen in Erfrischungsgetränken hergestellt werden. Dies erfolgt indem der Kunde, ausgehend vom einem Basisgetränk, verschiedene Geschmacksrichtungen am Getränkeautomaten auswählt und hinzufügt (Merz et al., 2019).

Ein weiteres Beispiel sind die KI-angepassten Angebote des Fast Food Riesen McDonalds. Angebote werden anhand von Tageszeit, Wetter oder Veranstaltungen in der Nähe prognostiziert. So bekommt man im Winter einen warmen Tee und im Sommer einen kühlen Milchshake angeboten und dies ganz automatisch. McDonalds kann durch diese eingegrenzte Kaufentscheidung des Kunden noch optimaler planen und einkaufen und somit von Einkaufsmargen profitieren (Profico, 2020).

Nicht nur Kunden profitieren von den Technologien, sondern auch Lebensmitteleinzelhändler können sie gewinnbringend einsetzen:

Mit der Hilfe von VR kann der Handel Marktforschungen betreiben und das Kauferlebnis aus Kundensicht verfolgen. Händler und Hersteller haben die Möglichkeit, die Sekunden vor der Kaufentscheidung direkt nachzuvollziehen, indem sie die Augenbewegung des Kunden mit einer VR-Brille aufzeichnen. Dadurch lassen sich das Sortiment sowie die Präsentation optimieren (Ohlig, 2020).

Darüber hinaus ist es für Lebensmittelgeschäfte möglich, mit der Hilfe von AR, technische Probleme zu beheben. Mittels Ferndiagnose können Techniker das Problem identifizieren und das Personal vor Ort, unabhängig von technischem Vorwissen, anleiten. Entsprechend sparen Händler Kosten und sichern die Einhaltung von Social Distancing-Anforderungen (Neue Verpackung, 2020).

 

Smarter Einkaufswagen

Auf dem Weg zum modernen Supermarkt testen Lebensmittelunternehmen bereits seit Längerem neue Technologien wie Selfscan-Terminals aus. Vor allem bei kleineren Erledigungen kann dies oft Zeit sparen.

Diesen Zeitvorteil will die Supermarktkette „Edeka“ nun mit dem Einsatz smarter Einkaufswägen erreichen. Der sogenannte “Easy Shopper” soll den Einkaufsvorgang vereinfachen und die Wartezeit an den Kassen verringern. An dem Easy Shopper können Produkte vom Konsumenten selber direkt eingescannt werden. Dadurch wird das Kassenband vollständig ersetzt, denn es muss nur noch bezahlt werden (Komes, 2020).

Edeka bedient sich dabei an einem bereits erprobten Konzept von Amazon Fresh Großery Store in Kalifornien. Unter dem Namen „Dash Cart“ kann der Konsument sogar den Laden verlassen und dabei automatisch bezahlen (Beckmann, 2020).

 

Quellen:

Beckmann, F. (2020) Amazon Fresh Store [online]. Abrufbar unter: https://www.smarthomeassistent.de/amazon-fresh-lebensmittelmarkt-oeffnet-fuer-alle-kunden/ [Abgerufen am 07.01.2021].

BMWI (2019) Was ist Industrie 4.0? [online]. Abrufbar unter: https://www.plattform-i40.de/PI40/Navigation/DE/Industrie40/WasIndustrie40/was-ist-industrie-40.html [Abgerufen am 03.09.2020].

Clodius, S. (2020) Im virtuellen Supermarkt [online]. Abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/lieferdienste-onlinehandel-corona-boom-101.html [Abgerufen am 08.02.2021].

E-Commerce Magazin (2019) Food aus dem Netz [online]. Abrufbar unter: https://www.e-commerce-magazin.de/food-aus-dem-netz-ein-blick-den-markt/ [Abgerufen am 08.02.2021].

Handelsverband Deutschland (2017) Handelsreport Lebensmittel online [online]. Abrufbar unter: https://einzelhandel.de/themeninhalte/e-commerce/657-publikationen/11042-handelsreport-lebensmittel-online-2 [Abgerufen am 08.02.2021].

Holst, J. (2020) Flaschenpost nimmt Food ins Visier [online]. Abrufbar unter: https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/E-Commerce-Flaschenpost-nimmt-Food-ins-Visier-148085 [Abgerufen am 06.01.2021].

Komes, A. (2020) Neues Scan & Go-Konzept bei Rewe [online]. Abrufbar unter: https://www.rnd.de/wirtschaft/edeka-testet-einsatz-von-smarten-einkaufswagen-wie-funktionieren-sie-3QTC7XBCV5D2TCHQH52LUHZTDQ.html [Abgerufen am 06.01.2021].

Kramer, M. (2021) The future of shopping and eCommerce: Perspective from Pinterest [online]. Abrufbar unter: https://marketingtechnews.net/news/2021/jan/20/the-future-of-shopping-and-ecommerce-perspective-from-pinterest/ [Abgerufen am 24.01.2021].

Merz, S, Montag, V., Wagner, J. (2019) Einsatz von KI in der Lebensmittelbranche [online]. Abrufbar unter: https://ai.hdm-stuttgart.de/downloads/student-white-paper/Sommer-2019/KI_und_Food.pdf [Abgerufen am 08.02.2021].

Neue Verpackung (2020) Mettler Toledo erweitert Kundenservice um Augmented Reality Option [online]. Abrufbar unter: https://www.neue-verpackung.de/66592/mettler-toledo-erweitert-kundenservice-um-augmented-reality-option/ [Abgerufen am 24.01.2021].

Ohlig, J. (2020) Fünf Trends für den Supermarkt der Zukunft [online]. Abrufbar unter: https://www.faz.net/asv/handel-2020-trendbarometer/fuenf-trends-fuer-den-supermarkt-der-zukunft-16630210.html [Abgerufen am 24.01.2021].

Profico, D. & DePaul, J. (2020) Using AI and Machine Learning to Deliver Relevant Customer Experiences [online]. Abrufbar unter: https://www.mobiquity.com/insights/magic-at-mcdonalds-using-artificial-intelligence-and-machine-learning-to-deliver-relevant-customer-experience  [Abgerufen am 25.02.2021].

Redaktion Etailment (2021) E-Food boomt – nicht nur wegen Corona [online].  Abrufbar unter: https://etailment.de/news/stories/E-Food-E-Food-23316 [Abgerufen am 24.02.2021].

Reily, J. (2019) Digitalisierung – Der Lebensmittelhandel muss sich den Kunden anpassen [online]. Abrufbar unter: https://t3n.de/news/digitalisierung-muss-kunden-1195411/ [Abgerufen am 05.01.2021].

Reuter, C., Schneider, W., Eberz, D., Bayer, M., Hartung, D., Kaygusuz, C. (2018) Resiliente Digitalisierung der kritischen Infrastruktur Landwirtschaft – mobil, dezentral, ausfallsicher. In: Dachselt, R., Weber, G., (2018) Mensch und Computer 2018: Workshopband. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V., S. 623-632.

Rohleder, B., Minhoff, C. (2019) Ernährung 4.0 – Status Quo, Chancen und Herausforderungen. Berlin: Bitkom und BVE.

WirtschaftsWoche (2021) Lebensmittel online: Ein Milliardenmarkt wird verteilt [online]. Abrufbar unter: https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/rewe-picnic-und-co-lebensmittel-online-ein-milliardenmarkt-wird-verteilt/26818142.html [Abgerufen am 02.06.2021].